Startseite Forschung Sagen und Legenden

Tauchen Sie ein ins Herz der Fantasie

Sagen und Legenden rund um die Burgen

Früher war die wichtigste Form der Kommunikation und Informationsübertragung die mündliche Konversation. Hauptsächlich von Frauen bei der gemeinsamen Handarbeit oder abends an geeigneten Orten weitergegeben. Doch ab dem 19. Jahrhundert zeichnet sich ein tiefgreifender und radikaler Prozess ab: Die Welt der Märchen beginnt...

Ein Ausflug in die Geschichte…

Die auf den Ausläufern der Bergmassive des Rheintals errichteten Burgen prägen die mittelalterliche Feudallandschaft und vervollständigen die befestigten Städte und Abteien. Ab dem Zeitraum vom 16. bis zum 18. Jahrhundert erlebten die bereits zwischen 300 und 800 Jahre alten Burgen  aufgrund mehrerer historischer Phänomene einen Niedergang:

  • Zerstörungen durch die zahlreichen Konflikte in der Region (Bauernkrieg, Dreißigjähriger Krieg, Siebenjähriger Krieg ...),
  • Die angesichts der modernen Artillerie veralteten mittelalterlichen Verteidigungsstrukturen
  • Und der Wandel des herrschaftlichen Lebensstils, der mit den Burgen in der Ebene (Palästen) zunehmend an Komfort gewann. 

In jener Zeit entstanden die ersten Ruinen, die Gegenstand unzähliger Sagen und Legenden sind, obwohl einige von ihnen auf uralten Naturphänomenen beruhen.


Die Niederschrift der rheinischen Legenden

Die Sagen und Legenden wurden überwiegend mündlich durch den Volksmund, Geschichtenerzähler und vor allem durch Frauen, die sich um die Erziehung der kleinen Kinder kümmerten, weitergegeben. Im 18. und 19. Jahrhundert wurden sie im Zusammenhang mit dem Bestreben, das gesammelte Wissen zusammenzufassen und zugänglich zu machen, schriftlich festgehalten (Enzyklopädie, Sammlung ...). Die meisten dieser Geschichten wurden damals von Männern niedergeschrieben, die eine Variante der Erzählungen auswählten, um sie zu Papier zu bringen. Zu diesen Schriftstellern zählen die Gebrüder Grimm oder noch lokaler Auguste Stoeber im Elsass oder Friedrich Baader und Laurian Moris in der Pfalz. Ihre Aufzeichnungen zeugen von der Nostalgie des Mittelalters und der Präsenz der germanischen Kultur auf beiden Seiten des Rheins.

Auch heute noch wird diese Sammlung in den Burgen am Oberrhein fortgesetzt ...


Was macht das Thema auch heute noch so interessant?

Legenden sind faszinierend, inspirierend und werden in vielen künstlerischen Produktionen umgesetzt. Bereits im 19. Jahrhundert ließen sich Künstler wie Gustave Doré (Illustrator, La Mythologie du Rhin, 1862), Richard Wagner (Komponist, Rheingold oder Der Ring der Nibelungen, 1869), Arthur Rackham (Illustrator, Filles du Rhin, Siegfried oder Brünnhilde) oder in jüngerer Zeit John Howe (Illustrator und Art Director des Filmklassikers Der Herr der Ringe) von dem rheinischen Erbe inspirieren. 

Die Sagen und Legenden öffnen außerdem ein Fenster zu einer gemeinsamen Geschichte, indem sie die Überzeugungen, Traditionen und Werte aufzeigen, die das Leben entlang des Rheins geprägt haben. Beschäftigt man sich mit diesen Erzählungen, lassen sich die Werte, Überzeugungen und Ängste der damaligen Gesellschaften besser nachvollziehen.


Welche Sagen und Legenden prägen die Burgen?

Verborgene und unterirdische Schätze

In der volkstümlichen Vorstellungswelt liegen in den Burgen und Schlössern reicher Burgherren oft unentdeckte und kostbare Schätze verborgen. Diese nicht immer fundierten Legenden deuten auf Schätze hin, die seit Jahrhunderten in den Burgruinen vergraben sind: Gegenstände aus Gold, Truhen voller Silber ... So wird beispielsweise gemunkelt, dass es unentdeckte Schätze am Fuße des Turms der Burg von Milandre im Schweizer Jura, in der Nähe der Burgruine von Meywihr im Elsass oder der Burg von Stahleck in Rheinland-Pfalz gibt. 

Mit diesem Mythos eines verborgenen und häufig verfluchten Schatzes vermischen sich auch andere Vorstellungen. Ein bekanntes Beispiel sind unterirdische Gänge oder Geheimgänge, die zu versteckten Kammern in Burgen führen. Diese strategisch komplexen Festungen werden durch neue unterirdische Gänge und Tunnel in den Legenden ergänzt, die die Festungen noch uneinnehmbarer machen. So weisen zahlreiche schriftliche Aufzeichnungen darauf hin, dass ein unterirdischer Gang die Abtei Münster im Gregoriental mit der Schwarzenburg verbindet.

Phantastische Kreaturen

Die rheinischen Legenden werden von vielen fantastischen Kreaturen geprägt. Da gibt es Feen, Drachen, Riesen oder auch Meerjungfrauen, die eine geheimnisvolle Welt bevölkern.

Die Undinen, in der germanischen Kultur auch Nixen genannt, sind in den Legenden rund um den Rhein sehr präsent. Diese sagenumwobenen Wesen werden oft als Nymphen oder Wassergeister dargestellt. Sie werden mit Flüssen, Brunnen und Teichen in Verbindung gebracht und stehen häufig für Schönheit, Reinheit, Unschuld und die Natur. 

In der Legende der Undine vom Nideck-Wasserfall in der Nähe der gleichnamigen elsässischen Burg tritt ein naturverbundenes, schönes und unschuldiges Mädchen einem böswilligen und unehrlichen Mann gegenüber. Ihr tragisches Schicksal machte sie zu einer Undine, einem Schutzgeist des Wasserfalls. 

Einige Legenden im Jura berichten von einer anderen Kreatur: der Vouivre. Auch sie hat weibliche Eigenschaften, nimmt jedoch die Gestalt einer geflügelten Schlange an. Die Vouivre sollte einen verborgenen Schatz hüten. 

Auch der Wald und die Berge sind voller Wesen, die diese Geschichten nähren: Kobolde (Schrankenfels), Zwerge (Hattstatt) und Riesen (Nideck) leben hier Seite an Seite. Die Riesen bauen mit ihren übermenschlichen Kräften gigantische Burgen, unter denen sich die Zwerge durch unterirdische Gänge bewegen. 

Auch Drachen sind in der Umgebung der Burgen anzutreffen, wie z.B. auf Burg Rotenberg oder der Pflixburg, wo sie geheimnisvolle Orte und wunderbare Schätze hüten. 

Die Undine von Morimont (Elsass – Frankreich)

Die Ruinen der Burg Morimont im elsässischen Jura bilden den Schauplatz einer Legende, in der es um Liebe, Drama und Zauberei geht. Eine Undine erscheint Mathilde als Schutzfee und erklärt sich zur Patin ihres ungeborenen Kindes. Mathilde wird ein magischer Apfel geschenkt, der ihr drei Wünsche erfüllt, aber auch eine Warnung enthält: An dem Tag, an dem die Quelle versiegt, wird Unglück über die Burg hereinbrechen. Im Verlauf der Prüfungen beweist Mathilde Scharfsinn und Mut und es gelingt ihr, ihr Kind und ihr Glück zu retten.

Die Burg von Roche d'Or (Kanton Jura – Schweiz)

Ein Lehnsherr weigert sich, an Märchen und Legenden zu glauben. Eines Abends trifft er drei junge Frauen, die ihn zu ihrer Herrin, der „Burgherrin“, bringen, die in einem Kristallpalast lebt. Die wunderschöne und gebildete Dame erzählt ihm, dass die Meteore in Wirklichkeit Vouivres waren, die über den Himmel flogen. Der Burgherr erwidert, dies sei Unsinn. Als die Frau ihn in ihr Gemach einlädt, folgt er ihr. Doch plötzlich findet er sich auf einem Misthaufen am Fuße seiner Burg wieder. Da hört er das Lachen der Frauen und sieht vier Vouivres in den Himmel aufsteigen. 

Geister und Gespenster

Doch Burgruinen können auch eine feindselige, bedrohliche Atmosphäre verbreiten. Aus diesem Grund berichten zahlreiche Legenden von Geistern, Gespenstern und sogar dem Teufel. Diese verlassenen Orte werden in gewisser Weise von den Dramen heimgesucht, die sich im Laufe der Geschichte dort zugetragen haben. In der Romantik wurde das Interesse an diesen Ruinen neu entfacht.  So findet man auf der Burg Altdahn in der Pfalz eine Legende um die Gestaltung eines Teufelstisches im Rahmen eines Festmahls.  

Die Weiße Dame scheint in vielen Burgen am Oberrhein zu spuken. Allein im Elsass soll es bis zu 25 Geschichten in Zusammenhang mit Burgen geben. Der Mythos der Weißen Dame besteht aus mehreren Interpretationen: eine Fee, die mit der Farbe Weiß und der Fantasiewelt assoziiert wird, oder so genannte Wiedergängerinnen, die im Fegefeuer ihre Sünden büßen und das weiße Leichentuch der Toten tragen.

Raubritter oder verfeindete Brüder

Die in den Burgen verborgenen Schätze sind oft Objekt der Begierde und des Verlangens. In den Legenden verschmelzen daher Ritterlichkeit und Korruption in Geschichten von Raubrittern, die aufgrund ihres Verhaltens oft ein tragisches Schicksal erleiden.
Die großen Familien, die über die Burgen herrschten, haben ebenfalls zu den Legenden beigetragen. So wird von Vatermord und innerfamiliären Konflikten auf der Burg Ferrette erzählt, oder auch von Streitigkeiten zwischen verfeindeten Brüdern auf den Burgen Geroldseck, Lichtenberg, Hohbarr oder auch Ribeauvillés.

logo chateaux rhénans logo interreg logo confédération suisse